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Sarah Tustra


Premium (Complete), Berlin

Fjederloppe

"Fjederloppe", auf deutsch "Federfloh", war ein, mit alternativem Antriebskonzept ausgestattetes Kleinfahrzeug des dänischen Tüftlers Barne Riksmerson (1911- 1997 )
Ricksmerson verwendete eine starke, in einer Trommel von gut 70 cm Durchmesser, und 27cm Höhe gelagerte Edelstahlfeder, welche mit einer Art Flügelschraube aufgezogen wurde. Das, in der gespannten Feder gespeicherte Drehmoment, wurde über ein einfaches Übersetzungsgetriebe auf die starre Hinterachse übertragen.
Auf ebener Strecke erreichte der Floh eine Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h, die Reichweite betrug rund 10, maximal 15 Kilometer.
Das übersichtliche „Cockpit“ des schnittigen Zweisitzers bot nur wenige Schaltelemente. Einen Tachometer, oder andere Anzeigeinstrumente, sucht man in dem schmucken Gefährt vergebens. Neben dem Lenkrad und Schaltern für die über eine 6 Volt Batterie gespeisten Lichteinrichtungen, gab es nur ein Bremspedal und eine Handbremse, welche im Parkzustand auch über ein Gestänge die Spannfeder blockierte. Hand- und Fusspedalbremse wirkten auf Bremsklötze aus einem Kork - Gummigemisch, die auf die Innenseiten der Hinterräder montiert waren.
Zum Fahren wurde einfach die Handbremse gelöst, und durch zeitgleiches, sanftes lösen des Bremspedals, setzte sich der Floh gemächlich in Bewegung. Es dauerte ein wenig, bis der Floh Fahrt aufnahm, aber dann beschleunigte er kontinuierlich bis zum Erreichen der Endgeschwindigkeit. Das Lenkrad bediente eine einfache Achsschenkellenkung, welche die, auf starrer Achse gelagerten Vorderräder steuerte.
Auch Stoßdämpfer vermisst man beim Floh: „Det er før Vaskekludde“ (Das ist für Waschlappen) war die lakonische Antwort Riksmersons zu diesem Thema.
Barne Riksmerson wurde von Zeitgenossen als ein verschrobener, leicht starrsinniger Eigenbrötler beschrieben. Nachdem er, aufgrund zahlreicher Streitigkeiten mit seinen jütländischen Nachbarn 1948 auf einen abseits am Hvannasund gelegenen Hof auf die Färöer Inseln übersiedelt war, geriet er auch dort bald mit seinen Mitmenschen in Konflikte. Zahlreiche Trunkenheitsfahrten, denen etliche Weidezäune und auch regelmäßig Schafe zum Opfer fielen, führten schon nach kurzer Zeit dazu, dass ihm, per Gerichtsbeschluss, die Nutzung von Kraftfahrzeugen auf den Färöer Inseln lebenslänglich untersagt wurde.
Aber Barne gab nicht auf. Er fand eine Gesetzeslücke, laut deren Definition nur, durch bis dahin allseits bekannte Motorkonzepte angetriebene Fahrzeuge, als Kraftfahrzeug eingestuft wurden.
So machte er sich, inspiriert durch ein Spielzeug seines Sohnes ans Werk und konstruierte den Floh.
Anfänglich bereitete ihm die aus unlegiertem Schiffbaustahl gefertigte Feder große Probleme. Das raue Seeklima ließ diese zu schnell Rost ansetzen, was die Motorleistung erheblich reduzierte.
Erst durch die Verwendung rostfreien Edelstahls, gelang es ihm, dem Auto eine gewisse Alltagstauglichkeit zu verleihen.
Das Aufziehen der Feder stellte einen nicht unerheblichen Kraftaufwand dar. Ein gut trainierter Erwachsener benötigte etwa eine Stunde um die Feder komplett zu spannen.
Auf die geringe Reichweite seines Fahrzeugs angesprochen, entgegnete Riksmerson in einem der wenigen Interviews, die mit dem als eher verschlossen geltenden Bastler geführt wurden: „Ich will ja nicht von Torshavn nach Viðareiði, ich will nur bis zum Dorfkrug und wieder zurück.“ und weiter: „Hauptsache ist doch nur, dass ich dran denke, die Feder sofort nach Ankunft wieder aufzuziehen, bevor ich in den Krug gehe, nachher fällt mir das immer so schwer.“
Es wurden 11, andere Quellen sprechen von 15, Federflöhe gebaut. In den Verkauf gelangte der Federfloh nie, Riksmerson sah den Floh als technisch noch nicht 100% ausgereift an. Um, zur Erlangung der Serienreife, noch notwendige Kenntnisse zu ergründen, führte Riksmerson konsequent allabendlich eine Testfahrt zum Dorfkrug in der Kirkjubrekka in Klaksvik durch.
Leider bestand ein eklatantes Missverhältnis zwischen den tüftlerischem und fahrtechnischem Können Riksmersons. So endeten in den Jahren von 1951 bis Mitte der 1980ger Jahre, bis auf einen, alle Flöhe in Straßengräben, oder Weideflächen längs des Rückwegs vom Dorfkrug zum Heimathof Riksmersons. Wer mal die Färöer besucht, vermag auf der Strecke Hvannasund / Klagsvik noch Hinterlassenschaften, die von den Testfahrten zeugen zu entdecken. Bei Depil sind noch heute die, zu einer automatischen Viehtränke umgebauten Reste eines Flohs zu entdecken, den Riksmerson dort als Wiedergutmachung für 2 überfahrene Schafe dem Bauern hinterließ. Im Bachbett des Fårå rosten seit 1976 ungestört Karosserieteile vor sich hin. Das Wegkreuz bei Norðdepil wurde aus Lenkstange und Hinterachse eines dort verunfallten Flohs errichtet. Vor dem Dorfkrug in der Kirkjubrekka in Klaksvik ist noch heute links des Eingangs eine Spannfeder, samt Getriebe zu bestaunen, welche der Wirt 1998, zum Gedenken, an seinen umsatzstärksten Gastes, dort aufstellen ließ.

Das auf dem Foto zu sehende Exemplar kam mir im Sommer 2004, auf einem Parkplatz an der Westküste Jütlands vor die Linse. Es handelt sich um einen Scheunenfund aus dem Nachlass Riksmersons. Ein Enkel des Erfinders führte damals Fahrversuche auf dem Festland durch, um nach Möglichkeiten zur Reichweitensteigerung zu forschen. Was aus den Testfahrten und dem Start Up des Enkel geworden ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis, es verdichten sich inzwischen allerdings Gerüchte, dass der Enkel plant, in Brandenburg eine Fabrik zu errichten, in welcher dann das Nachfolgemodell des „Urflohs“ für den europäischen Markt gefertigt werden soll.

Comentarios 27

  • Rainer Hamburg 24/04/2021 14:39

    (:
  • fotovoltaik-sw 18/02/2021 11:23

    Was für eine spannende Geschichte und welch ein irres und wegweisendes Gefährt.
    LG Markus
  • LIBOMEDIA 06/02/2021 10:27

    Cooles Teil.
    Ich habe noch eine DoppelSuper8-Kamera mit Federwerkaufzug.
    Die macht 38sec Film.
    lg*Rainer
  • Dieter Geßler 23/01/2021 12:29

    Herrlich mit dem Text dazu.
    Grüße und bleib gsund.
  • irene de navarro 10/01/2021 14:14

    sah nicht die karosserie eines französischen autos der späten 50iger jahre, bei uns  "schinkensemmel" genannt, so aus? wir haben es geschafft, zu 6 mann darin zu fahren - das dach war offen.
    auf der autobahn hat uns jemand aus der daneben fahrenden ente - auch mit 6 mann drin - während der fahrt salz auf frühstücksei gestreut
  • Frank Mühlberg 10/07/2020 13:04

    Das wäre doch was !
    VLG Frank
  • Arno F 13/06/2020 11:48

    Herrlich, die ganze Geschichte.
    Wenn ich davon ausgehe, dass ein vergleichbar großer Trabant etwa 7 Liter Benzin auf 100 Km verbrauchte, mit einer Energiedichte von etwa 8 kWh/Liter, dann sind das bei 10 Km Reichweite etwa 0,7 Liter = 5,6 kWh an Aufzieharbeit.
    1 Liter reiner Alkohol hat etwa eine Energie von 4,4 kWh gespeichert. Das macht bei 5,6 kWh etwa 1,27 Liter Alkohol, die der Fahrer im Dorfkrug trinken müßte, um das Auto voll aufzuziehen und die Energiebilanz auszugleichen.
    Auf Bier bezogen wären das bei 5 % Alkoholgehalt etwa eine Menge von 25,45, also rund 25 Liter Bier (die anderen Kalorien im Bier mal vernachlässigt), die der Fahrer trinken müßte um voll aufgezogen wieder starten zu können. Ich kann mir vorstellen, dass es beim geradeausfahren doch zu der einen oder anderen Verwicklung gekommen ist.
    Ich hoffe, dass ich richtig gerechnet habe.
    Was mir noch einfällt...
    Geschwindigkeitskontrollen mit Radar gab es ja noch nicht, die Polizei hat vermutlich die Anzahl der sich entspannenden Schlüsseldrehungen rückwärts, pro Minute und Entfernung zum Dorfkrug gezählt.
  • ungeschliffener Diamant 28/05/2020 12:27

    Klasse, ich dachte erst das wäre ein Scherz! Das gibt es also wirklich, sehr schön gesehen und festgehalten. Tolle Information auch dazu - eine echte Alternative zu den ganzen andern Quark. ;-)

    Viele Grüße aus Pankow
    • Sarah Tustra 28/05/2020 12:52

      Moin,

      Nee, die Geschichte hab ich mir, um ehrlich zu sein, ausgedacht. Es war ein Beitrag zu einem Projekt in der FC, zum Thema Mobilität.
      Das Foto ist aber echt. Nur ein wenig entsättigt, die Karre ist eigentlich quietschgelb. Der kam mir 2004 auf dem Kystvej entgegen. Ich hab sofort gewendet, und bin hinterher gefahren.
      In Vorupør hab ich den dann auf dem Parkplatz fotografieren können. Der "Schlüssel" drehte sich während der Fahrt, wahrscheinlich über einen kleinen E Motor. 

      Grüße aus Kreuzkölln
    • ungeschliffener Diamant 04/06/2020 11:03

      Haha, super - aber eine tolle Geschichte :-)
  • Gerhard Körsgen 02/05/2020 14:10

    Süße Geschichte und das "Töff" ist auch allerliebst :-)
    LG.
    Ps.: Ich bin der dreizehnte Lober. Wenn das mal kein Glück bringt !
  • Michael Farnschläder 22/04/2020 8:40

    Biste eijentlich Schriftsteller oder Fotograf? Oder Bellegraf, Fototristiker, Bildpoet, Stellograf oder....?
  • Reisemarie 29/02/2020 11:42

    welch eine geschichte!!!!!
    begeisterte grüße marie
  • Frederick Mann 14/02/2020 10:29

    a construct that should interest Tesla
    • Sarah Tustra 14/02/2020 13:28

      Tesla war an dem Projekt sehr interessiert, scheiterte dann aber an patentrechtlichen Hürden. Elon Musk plant allerdings inzwischen eine Variante mit einer gewaltigen Sprungfeder für sein Space X Programm.
    • Sarah Tustra 14/02/2020 9:26

      Fast zu schön um wahr zu sein. Im Sommer, wenn ich wieder da oben bin, versuche ich mal mehr über Barne herauszufinden.
      Grüße aus Gütersloh :-)
  • Zinni 12/02/2020 22:26

    Na, dann flohen wir heute doch mal nach Hause. Gibt es da einen Herren mit kräftigen Armen zum Aufziehen?    :-)))
    LG Ingrid
    • Sarah Tustra 13/02/2020 12:07

      Riksmerson musste das auf jeden Fall selber erledigen. Es fand sich, aufgrund seines unterentwickelten Sozialverhaltens, einfach niemand, der gewogen gewesen wäre, ihm einen Gefallen zu erweisen.
  • --M. J.-- 12/02/2020 20:47

    Das Nachfolgemodell wird sicher auch interessant, den Schlüssel braucht man dann nicht mehr selbst drehen.
    • Sarah Tustra 12/02/2020 22:10

      Mit einem Verbrennungsmotor ließe sich die Feder gewiß schneller wieder aufziehen.

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