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DeutschDeutscheRealitäten (kurz: DDR) 1982

DeutschDeutscheRealitäten (kurz: DDR) 1982

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FrankundFrei


Premium (Basic), Oberfranken

DeutschDeutscheRealitäten (kurz: DDR) 1982

Heute läßt es sich unbeschwert blödeln und kalauern, aber im Frühsommer 1982, in dem diese Begebenheit spielt, verging einem das Scherze machen an der innerdeutschen Grenze sehr schnell ...

An einem Sonntag im Mai oder Juni 1982 - genauer läßt sich das nicht mehr eruieren - unternahmen mein Studienfreund B., seine Freundin und ich einen Ausflug nach Lauenstein im Frankenwald. Wir wollten zunächst an die Zonengrenze fahren und anschließend die wildromantische Mantelburg besichtigen. B. kam aus der Nähe von Heilbronn und seine Freundin Jeanne aus Südfrankreich und beide waren sie noch nie an der innerdeutschen Grenze gewesen noch glaubten sie so recht meinen Erzählungen. Da die "Zonengrenze" nur gute 40 Kilometer von Bamberg entfernt verlief, wuchs ich mit vielen Geschichten darüber auf und kannte diese natürlich auch aus eigener Anschauung recht gut. Nicht aber die beiden! An der innerdeutschen Grenze dann staunten beide und waren zunächst einmal sprachlos. Ich machte ein paar Photos und als wir schon wieder aufbrechen wollten, erklärte B. zu meinem Entsetzen auf einmal: "Also, ich geh' jetzt einmal an den Grenzzaun und schau da durch." Alles Zureden und Warnen half nichts, er lief unbekümmert zum Zaun. Dann aber geschah etwas, das ich bis heute nicht so recht erklären kann. Wie aus dem Erdboden ausgespieen, standen urplötzlich mehrere Grenzsoldaten mit Gewehr im Anschlag bei meinem Freund und führten ihn ab. Zwei kamen auf uns zu, wobei der eine uns unentwegt mit dem Fernglas beobachtete und der andere uns und mein Auto (und ich wollte noch in dem Jahr nach Berlin fahren ...) genauso penetrant photographierte. Ich konnte gerade noch ein paar Bilder machen, denn dann fing Jeanne an zu heulen wie ein Schloßhund und ich versuchte sie so gut es ging zu trösten ... Das vollkommen Surreale an dieser Situation war, daß während dieser vielleicht zwei oder drei Minuten kein Wort gewechselt wurde. Die DDR-Grenzsoldaten standen die ganze Zeit v o r dem Grenzzaun auf DDR-Gebiet und waren von uns maximal zehn Meter entfernt. Aber irgendwie war für mich anscheinend die Vorstellung absurd, die beiden zu Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, ganz normal anzusprechen. Es war halt weder eine normale Zeit noch eine normale Grenze! Wiederum einige Minuten später erschien B. dann genauso urplötzlich wieder wie er verschwunden war und erzählte uns, mittlerweile sehr ernst und kleinlaut, daß er sehr eingehend und scharf befragt worden sei, aber die Grenzsoldaten irgendwie von seiner Harmlosigkeit überzeugen hatte können. Ob dies seinem eloquenten schwäbischen Charme oder seiner Jugend zu verdanken war, wird wohl nie zu erfahren sein. Er war noch am Erzählen, als auf einmal ein völlig unauffälliger weißgrauer VW-Bus heranfuhr und zwei Bundesgrenzschützer uns ansprachen. Sie hätten einen Anruf erhalten, daß wir Schwierigkeiten gehabt hätten ... B. hätte unverschämtes Glück gehabt, daß er gleich wieder laufen gelassen worden sei. Hätte er Steine oder Ähnliches geworfen (und das kam anscheined des öfteren vor), wäre das ganz anders ausgegangen ...

Wir waren natürlich alle drei heilfroh, daß diese Aktion so glimpflich verlaufen war. Wenn damals aber irgendjemand gesagt hätte, daß acht Jahre später sich die beiden deutschen Staaten vereinen würden, hätte man ihn zumindest ausgelacht ...

Alle Bilder entstanden mit meiner Canon AE1. Die Dias scannte ich ein und bearbeitete sie minimal. Die Qualität ist weder photographisch noch technisch umwerfend, aber als Zeitdokument vertretbar.

Vielen Dank für das Anschauen des Bildes und / oder Lesen der Geschichte! :))

Comentarios 4

  • Marlis E. 03/10/2008 23:33

    Bilder, die man nie vergisst...Erzählungen, die einem noch immer Angst machen ...ich war niemals in der ehemaligen DDR, noch nie an dieser Grenze gewesen, und doch hatten wir davor immer Angst.
    Es gibt noch immer viele solcher "Grenzen" ...LG Marlis
  • Steffen°Conrad 03/10/2008 19:51

    Viele "Westler" waren in Unkenntnis, das nicht der Zaun an sich die Grenze bildete, sondern bereits einige Meter in Westrichtung davor das Hoheitsgebiet der DDR lag-
    so kamen solche erschreckenden Szenen zu stande...
    Es war bitterer Ernst, keine "Attraktion"..

    Zum heutigen Tage bin ich froh, das diese Grenze gefallen ist,
    es erschreckt mich, wieviel soziales Elend sich danach auftat-
    in West,in Ost, im gesamtdeutschen Raum jetzt.
    Vg St.
  • Inge D. 03/10/2008 19:35

    Bilder wie Geschichte berühren mich sehr.
    Wir haben damals mehrfach Verwandte drüben besucht, teilweise mit dem Zug, teilweise mit dem Auto. Die Grenzüberquerung war jedes Mal wieder fürchterlich. Es war so, dass unsere damals noch kleinen Kinder hörbar aufatmeten, als wir wieder im Westen waren.
    Schlimm war auch, wenn man im Urlaub ganz dicht an die Grenze kam wo man im Normalfall die Verwandten hätte kurz besuchen können und dies nicht möglich war.
    Gut, dass diese Zeiten vorbei sind. Die Erinnerungen daran sollten aber auf jeden Fall erhalten bleiben.
    LG Inge
  • Julia Lipke 03/10/2008 16:51

    Sowohl Fotos als auch Geschichte sehr interessant. Rahmen find ich sonst eigentlich nicht so gut, aber hier passts irgendwie ;)
    LG
    Julia