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Beinhaus von Douaumont - Drei Minuten Gehör

Beinhaus von Douaumont - Drei Minuten Gehör

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Ludwig Goiginger


Free Account, Innsbruck

Beinhaus von Douaumont - Drei Minuten Gehör

Dieses Foto hat mein Sohn gemacht. Das war letztes Jahr auf unserer Sommerreise nach England, wo wir einige Tage in der Gegend von Verdun verweilten.

Link zum Beinhaus von Douaumont: http://www.verdun-douaumont.com/de/index.html


Gestern, am 22.Mai, jährte sich zum 67igsten mal, der Todestag meines Großvaters, der auf Kreta fiel und dort begraben ist (Malme).
Ich habe ein berührendes Gedicht, vom großartigen Kurt Tucholsky gefunden, dass ich euch nicht vorenthalten will.
Er hat es 1923 geschrieben und wenn es damals alle GELESEN und VERSTANDEN hätten, wäre der Welt viel erspart geblieben.


Drei Minuten Gehör!


Drei Minuten Gehör will ich von euch, die ihr arbeitet –!

Von euch, die ihr den Hammer schwingt,
von euch, die ihr auf Krücken hinkt,
von euch, die ihr die Feder führt,
von euch, die ihr die Kessel schürt,
von euch, die mit den treuen Händen
dem Manne ihre Liebe spenden –
von euch, den Jungen und den Alten –:
Ihr sollt drei Minuten inne halten.
Wir sind ja nicht unter Kriegsgewinnern.
Wir wollen uns einmal erinnern.

Die erste Minute gehöre dem Mann.
Wer trat vor Jahren in Feldgrau an?
Zu Hause die Kinder – zu Hause weint Mutter ...
Ihr: feldgraues Kanonenfutter –!
Ihr zogt in den lehmigen Ackergraben.
Da saht ihr keinen Fürstenknaben:
der soff sich einen in der Etappe
und ging mit den Damen in die Klappe.
Ihr wurdet geschliffen. Ihr wurdet gedrillt.
Wart ihr noch Gottes Ebenbild?
In der Kaserne – im Schilderhaus
wart ihr niedriger als die schmutzigste Laus.
Der Offizier war eine Perle,
aber ihr wart nur ›Kerle‹!
Ein elender Schieß- und Grüßautomat.
»Sie Schwein! Hände an die Hosennaht –!«
Verwundete mochten sich krümmen und biegen:
kam ein Prinz, dann hattet ihr stramm zu liegen.
Und noch im Massengrab wart ihr die Schweine:
Die Offiziere lagen alleine!
Ihr wart des Todes billige Ware ...
So ging das vier lange blutige Jahre.
Erinnert ihr euch –?

Die zweite Minute gehöre der Frau.
Wem wurden zu Haus die Haare grau?
Wer schreckte, wenn der Tag vorbei,
in den Nächten auf mit einem Schrei?
Wer ist es vier Jahre hindurch gewesen,
der anstand in langen Polonaisen,
indessen Prinzessinnen und ihre Gatten
alles, alles, alles hatten – –?
Wem schrieben sie einen kurzen Brief,
dass wieder einer in Flandern schlief?
Dazu ein Formular mit zwei Zetteln ...
wer mußte hier um die Renten betteln?
Tränen und Krämpfe und wildes Schrein.
Er hatte Ruhe. Ihr wart allein.
Oder sie schickten ihn, hinkend am Knüppel,
euch in die Arme zurück als Krüppel.
So sah sie aus, die wunderbare
große Zeit – vier lange Jahre ...
Erinnert ihr euch –?

Die dritte Minute gehört den Jungen!
Euch haben sie nicht in die Jacken gezwungen!
Ihr wart noch frei! Ihr seid heute frei!
Sorgt dafür, dass es immer so sei!
An euch hängt die Hoffnung. An euch das Vertraun
von Millionen deutschen Männern und Fraun.
Ihr sollt nicht strammstehn. Ihr sollt nicht dienen!
Ihr sollt frei sein! Zeigt es ihnen!
Und wenn sie euch kommen und drohn mit Pistolen –:
Geht nicht! Sie sollen euch erst mal holen!
Keine Wehrpflicht! Keine Soldaten!
Keine Monokel-Potentaten!
Keine Orden! Keine Spaliere!
Keine Reserveoffiziere!
Ihr seid die Zukunft!
Euer das Land!
Schüttelt es ab, das Knechtschaftsband!
Wenn ihr nur wollt, seid ihr alle frei!
Euer Wille geschehe! Seid nicht mehr dabei!
Wenn ihr nur wollt: bei euch steht der Sieg!
– Nie wieder Krieg –!

Comentarios 10

  • uhps-cam 11/06/2008 7:30

    Hätte ich gerne von meinem Vater als Kind (*46) auch zu lesen bekommen. Zum Fotografieren hat er mich mit allem Einsatz gebracht, da verdanke ich ihm alles, die erste Leica 1f gabs zur Konfirmation 1959, das Bad war Dunkelkammer, und zwischenrein auch mal Bad. Schöne Grüße an Deinen Sohn und Gratulation zum Bild! Ulli
    PS:
    Nicht vergessen!
    Nicht vergessen!
    uhps-cam
  • B-A-U-M-I 26/05/2008 18:11

    Auch ich bin begeistert, ganz klasse gemacht!

  • DSK 26/05/2008 8:01

    Gefällt mir sehr deine Aufnahme


    LG Micha
    ______________________________
  • Emerson 25/05/2008 20:11

    Bild und Wort, einfach gut!
    :-)
    LG
    E
  • Stefan Adam 25/05/2008 17:57

    Eindrucksvoll, ein wirklich gutes Gedicht, daß Verbreitung finden sollte, uns wäre dann evtl. folgendes erspart geblieben:

    Gruß, Stefan
  • Bunkerworld 24/05/2008 19:12

    Da muss ich auch noch einmal hin stark
  • Ingrid Ben 24/05/2008 7:29

    Beeindruckend dieses Gedicht. Trotzdem gibt es leider immer noch Kriege, Menschen lassen sich immer noch verdummen von den "Herren".
    "WAS MICH ERSCHRECKT; IST NICHT DIE ZERSTÖRUNGSKRAFT DER BOMBE; SONDERN DIE EXPLOSIVKRAFT DES MENSCHLICHEN HERZENS ZUM BÖSEN" (Albert Einstein)
    Zum Foto: auch Sohnemann macht gute Fotos, ein Lob an ihn. LG Ingrid.
  • Helli H. 23/05/2008 22:43

    Der 1. Weltkrieg war wohl mit das Grausamste und zugleich Sinnloseste, was die juengere Geschichte Europas hervorbringt. Insbesondere Verdun .. hab diesen Winter eine Doku darueber gesehen .. ein einziger Irrsinn.

    VG - Helli
  • Dagmar Senff 23/05/2008 22:14

    Eine Anmerkung ist eigentlich zu banal, nachdem was man hier zu sehen und lesen bekommt. Schön, dass Du die Zusammenhänge für alle die es vielleicht nicht gleich verstanden haben, erklärst. Sehr tiefsinnig.
    LG Dagmar
  • Tanjung-Pinang 23/05/2008 17:20

    Eine wunderschöne Erinnerung !!
    lg monika