Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Der härteste Job der Welt

Ihre Jugendnaturlocke hängt an der Wand neben dem selbst reparierten Schrankscharnier in diesem männerfreien Haushalt. In ihrem ersten Bündel für die Zukunft auf dem hart gewordenen weichen Arm finden sich diese Locken nicht wieder. Kein Grund ohne Lächeln das Stadtbild zu bereichern. Sie hat Narben auf dem Rücken. Sie sollte mal das Fliegen lernen. Aber diese Zeiten streift sie ab mit einem zerrissenen Kussmund für ihr bereits Geborenes. Ein Junge.

Das Mädchen ist unterwegs. Schwangerschaftsgymnastik in einer alten angemieteten Turnhalle mit lackiertem Fichtenholz. Fenster bis zum Boden. Herren schauen zu und rauchen einhändig. Die andere Hand in der löchrigen Hosentasche zu der den Kerlen eine hübsche Näherin fehlt. Einer der Männer spricht sie an und behauptet, dass er von Babyhautpflege etwas verstünde. Einölen, mehlieren, Panade. Außerdem habe sie einen sehr schönen Bauch für ihr Alter.

Was es nicht alles gibt. Sie hat Verständnis für die Sehnsüchte der Menschen, möchte aber nicht mehr im Zentrum dieser Obsessionsgewalten stehen. Das mit dem zweiten Kind war jetzt ungünstig. Ihr Vater fragt, ob es denn künftig auch für das versehentlich abgelegte Mädchen versteckte Ostereier geben soll. Sie bleibt dabei, dass ungleich verteilte Liebe das Leben und ihre Menschen traurig macht.

Die Menschen sind so brutal, wenn sie nicht nachdenken. Aber ständig muss man ihnen verzeihen. Überall die gleichen Fratzen. Der schon geborene Knabe macht diese Fratzen nach. Manchmal hat sie Angst, er wäre selbst eine Fratze. Ihr Kind eine Fratze? Das wäre nicht auszudenken, aber auszuhalten wie letztlich alles. Bekannt kommen ihr nur die Gesichter ihrer ehemaligen Mädchengruppe vor, die eisern zusammengehalten hat und sich nun zur Frauengruppe emanzipierte. Für andere Menschen fehlt ihr die Zeit. Besonders für diese anderen Mütter.

Drei Kinderwagen, dahinter drei Beckengruppen in der überfüllten S-Bahn, während sie ihr Bündel mit einem Safran farbigen Tragetuch in der „Anhock – Spreiz“ Haltung rund hält. Sie erwischt sich dabei, wie sie andere raumgreifende Muttergestalten erschreckend findet. Aber ihre eigene Außenwirkung kennt sie nicht.

Eine dieser Frauen lächelt sie an mit einem undefinierbaren Grinsemündchen, schiefen Zähnen, einer sehr hübschen Stubsnase und großzügig einladender Stirn.

„Frohe Ostern?“

Sie streicht über ihr Tragetuch und nickt: „Wahrscheinlich schon!“

26. März 2016

Comentarios 1