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Der Vogel, der nicht mehr fliegen konnte

Der Vogel, der nicht mehr fliegen konnte

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Der Vogel, der nicht mehr fliegen konnte

Es war einmal ein Vogel.
Er besaß ein Paar vollkommener Flügel und glänzende, bunte, wunderbare Federn und war dazu geschaffen,
frei am Himmel zu fliegen, denen zur Freude, die ihn sahen.
Eines Tages sah eine Frau diesen Vogel und verliebte sich in ihn.
Sie schaute mit vor Staunen offenem Mund seinem Flug zu,
ihr Herz schlug schneller, ihre Augen leuchteten vor Aufregung.
Er bat sie, ihn zu begleiten, und beide schwebten in vollkommener Harmonie am Himmel.
Und sie bewunderte, verehrte, feierte den Vogel.
Aber dann dachte sie: Vielleicht möchte er ferne Gebirge kennenlernen! Und die Frau bekam Angst.
Fürchtete, daß sie so etwas mit einem anderen Vogel nie wieder erleben könnte.
Und sie wurde neidisch auf den Vogel,
der aus eigener Kraft fliegen konnte.
Und sie fühlte sich allein.
Und dachte: >Ich werde dem Vogel eine Falle stellen.
Wenn er zurückkommt, wird er nie wieder wegfliegen können.<
Der Vogel, der auch verliebt war, kam am nächsten Tag zurück,
ging in die Falle und wurde in einen Käfig gesteckt.
Die Frau schaute täglich nach dem Vogel.
Er war ihre ganze Leidenschaft, und sie zeigte ihn ihren Freundinnen,
die meinten: “Hast du ein Glück.”
Dennoch vollzog sich eine merkwürdige Veränderung:
Seit sie den Vogel besaß und ihn nicht mehr zu erobern brauchte,
begann sie das Interesse an ihm zu verlieren.
Der Vogel, der nicht mehr fliegen konnte,
was den Sinn seines Lebens ausmachte,
wurde schwach, glanzlos, häßlich.
Die Frau beachtete ihn nicht mehr,
fütterte ihn nur noch und reinigte seinen Käfig.
Eines Tages starb der Vogel.
Die Frau war tieftraurig und konnte ihn nicht vergessen.
Aber sie erinnerte sich dabei nicht an den Käfig,
nur an den Tag, an dem sie den Vogel zum ersten Mal gesehen hatte,
wie er fröhlich zwischen den Wolken dahinflog.
Hätte sie genauer in sich hineingeschaut, so hätte sie bemerkt,
daß das, was sie am Vogel so sehr begeisterte, seine Freiheit war,
sein kräftiger Flügelschlag, nicht sein Körper.
Ohne den Vogel verlor auch für die Frau das Leben seinen Sinn,
und der Tod klopfte an ihre Tür. – “Wozu bist du gekommen?”
fragte sie den Tod. –
“Damit du wieder mit dem Vogel zusammen am Himmel fliegen kannst”, gab der Tod zur Antwort.
“Wenn du ihn hättest fliegen und immer wiederkommen lassen,
hättest du ihn geliebt und noch mehr bewundert;
aber nun brauchst du mich, um ihn wiederzusehen.”

(Paulo Coelho: Elf Minuten.)



http://www.youtube.com/watch?v=0fAVQgsM1wY

Comentarios 3

  • Monue 03/05/2013 19:05

    Diese sehr zum Nachdenken anregende wunderbare Geschichte hab' ich neulich schon hier gelesen und auch das Bild bewundert..... herrlich wie die Gänse hier gen Sonne ziehen und das warme Licht ihr Gefieder zum Leuchten bringt.... und eine Haloerscheinung hast Du auch noch dazu erwischt.... eine fantastische Stimmung... ein Bild, das fasziniert!
    Aufnahme, Worte und Musik ... ein wunderbares Trio zum Thema Freiheit....... !
    LG Moni
  • rouva14 01/05/2013 18:59

    Eine Geschichte über die man nachdenken kann....und über das Foto musste ich im ersten Moment auch nachdenken, ehe ich die Flugrichtung der Vögel raus hatte :-D .....die Augen, die Augen ;)
    Aber die Aufnahme ist echt klasse um nicht zu sagen traumhaft.
    LG Christine
  • Andrea Potratz 01/05/2013 10:45

    Witzige Perspektive.
    Klasse wie die Vögel von der Sonne angestrahlt werden.
    LG Andrea