Manuelle Belichtung - Fluch oder Segen?

Wir versetzen uns in der heutigen Episode gedanklich zurück in eine Zeit, in der es (noch) keine in die Kamera integrierten Belichtungsmesser gab und überlegen, was an der These: “Licht einzuschätzen, anstatt es zu messen, trainiert den Blick!“? dran ist. Dabei stellt sich uns die spannende Frage, ob es unsere Fotografie weiterbringt, wenn wir eine Lichtsituation ohne Hilfsmittel in Blende und Zeit “übersetzen” können. Kann dies das “Erlebnis Fotografie” intensivieren? Setz dich gern zu uns! Wir freuen uns, wenn Du dabei bist.

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Comentarios 9

  • Bernd Junge 27/06/2022 21:07

    Ich muss zugeben, dass ich mir nicht recht vorstellen kann, dass das Thema sehr viele Fotografen von heute bewegt. Es gab sicher eine Zeit, in der das anders war, aber die ist meiner Meinung nach lange her. Meine erste Spiegelreflexkamera habe ich mir 1971 vom Konfirmationsgeld gekauft, eine EXA 500 (Exakta) ohne eingebauten Belichtungsmesser, anfangs noch ohne Belichtungsmesser, aber ohne Erfahrung habe ich spätestens bei den ersten Farbfilmen gewusst, dass das keine gute Idee ist. Es kam ein Gossen Sixtomat dazu. Dabei hätte mir das Einschätzungsvermögen, das ihr beschreibt, gute Dienste geleistet. Ich habe bei wechselnder Bewölkung schnell verzweifelt: Gemessen, an der Kamera eingestellt, dann schob sich eine Wolke vor die Sonne und ich konnte nochmal messen. Das Problem wäre mit einer integrierten Messung oder mit der Erfahrung, die Veränderung bewerten zu können, nicht vorhanden gewesen. So habe ich damals die Lust an der Fotografie vorerst verloren.

    Später kam dann eine Canon AE-1 Programm als Ersatz und mit ihr hatte man immer eine integrierte Messung, viel schneller als die für mich umständliche Handhabung eines Handbelichtungsmessers. Klar – Grundwissen über die Belichtungsmessung und -korrekturen in besonderen Situationen waren damals wie heute nötig (Schneemann in Winterlandschaft, schwarze Katze im Kohlenkeller, Gegenlichtaufnahmen), aber im Wesentlichen hat man sich auf die integrierte Messung verlassen. Warum auch nicht? Fast alle Kameras, die ab Mitte der 1970er Jahre erschienen sind, funktionieren nicht mehr ohne Batterie. Da gab es nur wenige Ausnahmen wie die Nikon FM und ihre Nachfolger oder viele Mittelformatkameras. Selbst bei Profikameras wie der Nikon F3 funktionierte nur noch die 1/60 Sek. mechanisch und das war bei vielen besseren Kameras ähnlich. Alle Canon A-Kameras hatten einen elektronisch gesteuerten Verschluss, bei dem ohne Batterie nichts mehr ging, sogar die vollmanuelle AT-1. Solange aber eine Batterie drin ist funktioniert auch die Belichtungsmessung. Bei Digitalkameras stellt sich die Frage ohnehin nicht mehr. Ohne Strom geht logischerweise nichts mehr. Außerdem gibt es ein Histogramm, das man sich anzeigen lassen kann und ggf. macht man ein neues Foto mit korrigierten Einstellungen.

    Deshalb glaube ich, dass es wichtigere Themen für den Podcast gibt als selbst Belichtungsmesser spielen zu können und zu glauben, dass man es besser kann als die heute sehr ausgefeilte Technik. Dass man durch die Fähigkeit, die richtige Belichtung einschätzen zu können bessere Fotos macht, glaube ich ohnehin nicht.

    VG Bernd
    • Lars Ihring 28/06/2022 8:11

      Hallo Bernd :) 
      Danke für Deinen langen Kommentar. Ja, die integrierte Belichtungsmessung macht uns das Leben einfach und bequem. Und das ist toll! So ist es möglich, Motive "gut" zu fotografieren, ohne sich Gedanken machen zu müssen... ABER ... vielleicht gehört für den einen oder die andere doch etwas mehr dazu, als sich auf die Technik zu verlassen. Vielleicht ist die Challenge, selbst zu entscheiden und damit richtig oder daneben zu liegen für das "Erlebnis Fotografie" wertvoll. Vielleicht hält die eine oder der andere auf der Jagd nach Motiven jetzt inne und merkt, dass es Spaß machen kann, zu experimentieren und selbst zu entscheiden. 

      Ich merke bei unseren Gesprächen immer wieder, dass Fotografie ganz oft vorwiegend technisch gesehen wird. Aber wie Falk immer schon sagt: Das "Erlebnis" Fotografie ist wichtig und wird die individuelle Fotografie verändern... Und damit ist das Thema für den Podcast durchaus relevant :) 

      Liebe Grüße!
      Lars
    • Bernd Junge 29/06/2022 21:40

      Es kann natürlich nicht schaden, wenn man die Belichtungssituation richtig einschätzen kann. Trotzdem ist die Belichtungsmessung an sich ein technischer Prozess, bei dem es darum geht, für das jeweilige Motiv und die vorhandenen Lichtverhältnisse angepasst an das jeweilige Medium (Dia-, Farbnegativ-, Schwarzweißfilm oder Sensor bei Digitalkameras) die optimalen Werte für Zeit und Blende zu bekommen, mit denen man die beste Abstufung von Farben und Grauwerten bzw. die beste Voraussetzung für die Entwicklung / Bildbearbeitung erhält. Die Messung an sich ist kein kreativer Prozess. Sie führt zu (hoffentlich) optimalen Einstellwerten.

      Eine ganz andere Sache ist das bewusste Abweichen vom "richtigen" Wert, um bestimmte Effekte zu erzielen. Das macht man in der Regel auch erst, wenn man schon Erfahrungen hat und die Ergebnisse dieser Abweichungen einschätzen kann. Da kann es sicher nicht schaden, wenn man damit herumexperimentiert, wenn's mal nicht so drauf an kommt. Ich bin nur der Auffassung, dass man die Belichtungsmessung an sich nicht schon zu einem kreativen Prozess hochstilisieren sollte.
  • Hans Joachim Jürgens 10/06/2022 14:11

    Diese Folge hat mich in meine ganz frühe Zeit der analogen Fotografie zurückversetzt: Als kleiner Junge mit einer Rollfilmbox (120 er) mit 2 Lochblenden und 2 Verschlusszeiten (?) ohne Belichtungsmesser die ersten s/w Fotos gemacht. Da ging schon so einiges und die Bilder (6x6 Kontaktabzüge) haben mich begeistert. Dann etwas später mit KB Sucherkamera und extra Belichtungsmesser (Gossen) und viel später mit SLR und Innenmessung (Pentax Spotmatik II) mit einigen M42 Wechselobjektiven fototechnisch exzessiv unterwegs s/w Bilder selbst entwickelt und auf Fotopaier ausbelichtet. Dia- und Farbfilm forderten unterschiedliche Belichtung. Das ging mir schon ins Gefühl über und die Vorabeinstellung an der Kamera lag nicht weit vom gemessenen Wert. Die Einschätzung der Kontraste und die Belichtung auf den bildwichtigen Teil folgten.

    Als ich dann zur digitalen Fotografie wechselte (2002 Kompaktkamera mit 3 MP - 2004 DSLR mit 6 MP u.s.w.) merkte ich, dass sich für mich am Wesen der Fotografie nichts änderte, jedoch alles sehr erleichtert wurde aber auch meine Ansprüche an die eigenen Bilder wuchsen.

    Das Equipment erlaubte technisch zwar immer perfektere Bilder, durfte mich aber nicht zur schnellen „Schrotschussmethode“ verführen. Ich versuche der Bildgestaltung immer wieder bewusst Zeit und Raum zu geben. Das gilt für mich auch für die „passende“ also motivgerechte Belichtung (das Motiv will ja schließlich ins „rechte Licht“ gesetzt werden). Dabei hilft mir auch heute noch die „alte Erfahrung“. Zugegeben: Ich verlasse mich schon auf die Technik, greife aber oft bewusst korrigierend ein. Genau dabei hilft mir das fotografische Grundwissen aus alten Tagen.

    Ich halte es aber mit Falk, wenn er sagt, dass man das heutzutage nur mit analoger Technik wirklich „erleben“ (wieder erlernen?) kann ;-)

    Ich freue mich auf Eure weiteren lockeren Folgen!

    Liebe Grüße
    Achim
    • fotosichtig 10/06/2022 18:58

      Aber du beziehst dich auf das "Erlebnis Fotografieren" beim Fotografieren....
      für die Zeit danach bin ich schon glücklich das es heute so viel einfacher ist.. Meine Belichtung laufen immer mit Blendenvorwahl.. Was ich sehr schätze..
    • Hans Joachim Jürgens 10/06/2022 19:26

      In der Regel nutze ich auch die Blendenvorwahl. Bei der Vogelfotografie jedoch auch gerne die Zeitvorwahl. Bei Makros auch schon mal Manuell. Am Ende ist es egal: Hauptsache das gewünschte Bild kommt dabei heraus ;-)
  • Dietrich Kunze 09/06/2022 18:02

    Der Podcast war so spannend für mich, dass ich ihn von vorn bis hinten am Stück angehört habe.
    War ein "Aha"-Erlebnis. Die manuelle Belichtung ist ja nicht identisch mit der analogen Fotografie. Seit den 70er Jahren habe ich SLRs mit integrierten Belichtungsmessern benutzt, die durch die Linse gemessen haben und schon eine enorme Erleichterung für die Ermittlung der richtigen Belichtung darstellten.
    Sogar der simple BelLi im Gehäuse (außerhalb des Objektovs) der Yashica MAT 124 G hat praktisch immer für passabel belichtete Bilder gesorgt. Blende und Belichtungszeit waren für mich schon wichtig in Hinsicht auf Schärfentiefe und bewegte Motive, aber ich muss zugeben, dass ich mir nie weitere Gedanken gemacht habe über vom BeLi ermittelte Werte in Bezug auf die zugehörige Lichtsituation und demzufolge auch keine Belichtungsparameter zu meinen Fotos notiert habe; ging ja auch so!
    Bei einem Fotokurs in 2001 mit dem Bernd Ritschel hat dieser uns angehalten, über unsere Belichtungen bei den verschiedenen Fotostopps Buch zu führen (er hatte dazu kleine Formulare verteilt). Bei den Fotobesprechungen abends (Filme wurden am Nachmittag schnell ins Labor geschafft und waren am nächsten Tag entwickelt zurück) am nächsten Tag konnten dann gelungene/misslungene Belichtungen mit Bezug auf die Notizen ausgewertet werden und dabei hat man dann wirklich was gelernt. Habe ich aber bald danach wieder sein lassen, ging ja auch so!
    Erst mit der Rolleiflex 3.5 A (ohne BeLi), die ich seit gut einem Jahr verwende, gibt es keine Hilfsmittel mehr, auch die Werte des externen BeLis muss ich meist kritisch hinterfragen in Bezug auf evtl. Gegenlicht, tiefe Schatten, sehr hellen Himmel etc.Der Härtetest war neulich ein Tag, an dem ich den BeLi zu Hause vergessen hatte. Da half mir nur noch die Sunny-16-Regel und geschätzte Abweichungen in meinem Motiv. Es war am Ende kein versautes Bild dabei (beurteilt nach den Negativen, nicht nach der Digitalisierung) :-)))
    Kurz: ich habe trotz jahrzehntelanger Fotografie erst jetzt angefangen, notorisch Belichtungswerte mit der Lichtsituation kritisch zu hinterfragen und erst dann einzustellen und auszulösen. Wie es so schön im Podcast erzählt wurde!Das war gewissermaßen ein akustisches Déja-Vue!Vielen Dank und viele Sternchen und Daumen-Hochs an Falk und Lars!
  • ConnieBu 08/06/2022 21:31

    Hier bin ich diesmal aber ganz bei Falk. Aktuell bin ich tatsächlich auch gerade mehr analog als digital unterwegs. Warum: es entschleunigt ungemein, Fotografie als solche erhält nochmals eine neue Wertschätzung und auch insgesamt die Fotos "von früher". Ja. Das war richtig Arbeit und Wissen und Können, was analoge Fotografen/-innen zustande gebracht haben und auch heute noch zustande bringen.
    Und auch ja: wenn man 2 Wochen später die PapierAbzüge in der Hand hält, ist das echte Freude. Ob die Fotos gut oder schlecht geworden sind, ist nicht mal wichtig. Der Augenblick des Tuns war intensiver. Und im Fall meiner Retina IIa:  konnte es kaum fassen, dass man damit überhaupt Fotos machen kann. Sie hat mich vom Gegenteil überzeugt ... ohne Display, ohne Chip, ohne Batterie, ohne Belichtungsmesser :)
    LG Connie
    Die Fotografin
    Die Fotografin
    ConnieBu
  • Blomy 08/06/2022 20:38

    Aus den von Euch genannten Gründen habe ich die analoge Fotografie übersprungen.
    Kuppeln beim Auto mit zwischen Gas braucht auch keiner mehr.
    Bin ich ganz glücklich damit einen elektronischen Sucher zu haben. Das ich mich an einen Motiv stundenlang abarbeiten kann ohne in Hektik zu verfallen. Von einer Bildidee bis zum finalen Bild mehrere Phasen auszuprobieren.
    Kommt die Entschleunigung nicht aus einen selbst heraus.
    Sind Belichtungszeit und Blende nicht einfach Stilmittel die ich heute bewusst einsetzen kann. Ob Gräser scharf oder vom Wind verschwommen sind dank der heutigen möglichen hohen ISO alles kein Problem mehr.
    Ich habe gleich die Kontrolle über das Ergebnis und kann es gegebenenfalls ändern. Einfach die Welt um sich herum vergessen und eins werden mit seinen Bild.
    Wie häufig habe ich mich erschrocken, als ich mit dem fotografieren fertig war, das Stunden vergangen sind. Für mich ist der Entstehungsprozess das Spannende. Frei nach dem Motto als Cabriofahrer: Der Weg ist das Ziel.
    Dafür werden ganz besondere Bilder ausgedruckt und ich kann mich direkt mit den Menschen darüber Unterhalten was sie für das Bild empfinden.
    Gruß Andreas