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Mohammad

Ich heiße Mohammad und bin 18 Jahre alt. Ich bin nach meiner Schwester Muna der Älteste von fünf Kindern in der Familie. Das hat seit der Flucht aus Syrien viel Verantwortung für die Familie bedeutet. Als wir unser Zuhause verlassen haben, war ich 12 Jahre alt. Eigentlich war ich ziemlich faul – vielleicht sind das auch alle in dem Alter. Auf Arbeit hatte ich gar keine Lust. Als meine Familie in Izmir lebte (hier haben wir vor Deutschland und nach der Flucht aus Syrien drei Jahre lang gelebt), habe ich eine Situation zwischen meiner Mutter und meinem Vater mitbekommen, die ich nicht vergessen konnte: Meine Mutter bat meinen Vater um Geld zum Einkaufen – wir waren zu siebt mit zwei Kleinkindern – aber mein Vater konnte ihr nichts mehr geben. Ich konnte das nicht ertragen, das zu sehen. Seit diesem Moment habe ich so viel gearbeitet, wie ich konnte, um Geld mit nach Hause zu bringen.

Ich habe in einem Geschäft für Gewürze als Verkäufer und in einer Druckerei gearbeitet. Im Laden habe ich von sechs Uhr morgens bis 21 Uhr abends gearbeitet. Der Lohn war sehr schlecht. In der Druckerei wurde ich etwas besser bezahlt, hier habe ich Überstunden bis 22 Uhr, manchmal sogar bis 1 Uhr nachts gemacht, um mehr Geld mit nach Hause zu bringen. Gesundheitlich war es ein sehr anstrengender Job. Ich habe mit Chemikalien gearbeitet, die meine Hände verätzt haben, was sehr schmerzhaft war. Wenn du dir meine Hände jetzt anguckst, sehen sie wieder normal aus, damals hatte ich keine richtigen Fingerkuppen mehr.

Der Weg zur Arbeit war sehr lang, ich habe von Zuhause aus eine Stunde mit dem Bus hin und zurück gebraucht. Manchmal bin ich erst um 2 Uhr nachts zurückgekommen und musste um 5 Uhr morgens wieder aufstehen. Umgerechnet habe ich ca. zwischen 40 und 100 Euro pro Monat verdient. Davon konnten wir als Familie für eine oder zwei Wochen Essen einkaufen. Es konnte passieren, dass wir keinen Lohn bekommen haben, aber was sollten wir machen? Wir haben illegal gearbeitet und hatten keine Rechte. Wenn mein Vater fünf Monate lang keinen Lohn bei seiner Arbeit bekommen hat, dann konnte er nicht zur Polizei gehen und das anzeigen. Darum waren wir darauf angewiesen, dass auch wir Ältesten arbeiten.

Besonders schwierig war für mich, während des Ramadan zu arbeiten. Ich war zwölf Jahre alt und immer hungrig. Die meisten Tage auf der Arbeit waren länger als zwölf Stunden. Mir war es eigentlich sehr wichtig, zu fasten, aber ich konnte einfach nicht ohne Essen und Trinken durch den Tag kommen. Dass wir etwas mehr Geld hatten war in diesen Momenten aber wichtiger, trotzdem ging es mir nicht gut damit, das Fasten Tag für Tag brechen zu müssen.

Mit Rassismus habe ich weniger Probleme, da man mir nicht so sehr ansieht, dass ich eine andere Herkunft oder Glauben habe wie meinen Schwestern, die beide Kopftuch tragen. Nur mit meiner Sprache werde ich immer wieder aufgezogen – also wenn ich Fehler mache.

Als ich vor vier Jahren nach Deutschland gekommen bin, hatte ich auf nichts Lust, was irgendwie deutsch war. Ich fand die Sprache und die Leute doof – ich wollte nicht hier sein. Aber das hat sich geändert und ich habe hier gute Freunde gefunden – deutsche, arabische und türkische-, die mich fragen, ob ich korrigiert werden will und mit denen ich ich selbst sein kann. Ich möchte gerne eine Ausbildung zum Automobilverkäufer machen. Ich habe ein Praktikum gemacht und sie waren sehr zufrieden, vielleicht kann ich dort ja bald anfangen mit einer Ausbildung.

(c) Rike-Kristin Liebsch

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