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Lenores Vermächtnis

Lenores Vermächtnis

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Horst Waschinski


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Lenores Vermächtnis

In einem alten, staubigen Zimmer, dessen Wände von Schatten verschluckt werden, sitzt Silas. Sein Gesicht, geprägt von unzähligen Jahren, spiegelt sich in den tiefen Kratzern des Holztisches wider. Sein einst tadelloser Anzug trägt die Spuren der Zeit, wie die abblätternde Farbe an den Wänden. Sein Hut verdeckt die Sorgenfalten auf seiner Stirn. Mit tiefgründigem Blick mustert er die magere Mahlzeit auf dem Tisch. Ein kalter Hauch streicht durch den Raum, wirbelt Staub auf und das durch ein Fenster einfallende Licht zeichnet gespenstische Schatten in den Raum.

Plötzlich ertönt ein krächzender Ruf. Ein Rabe, ein Unglücksbote in Schwarz, sitzt auf einem Teller vor Silas. Seine starren, undurchdringlichen Augen fixieren Silas mit unheimlichem Blick. Ein weiterer Rabe, dessen Gefieder so glänzend schwarz wie die Nacht selbst ist, beobachtet die Szene von einer Anrichte aus.

Silas hebt die Gabel, zögert, bevor er sie zum Munde führt. Die Speise, einst köstlich, schmeckt nun bitter wie die Erinnerungen, die er zu verdrängen versucht. Einsamkeit nagt an ihm wie die Kälte des Steinfußbodens. Die Raben sind seine einzigen Gefährten, ihr krächzendes Geschrei die einzige Unterbrechung der Stille, die ihn umgibt.

Der Rabe auf dem Tisch öffnet seinen Schnabel und aus seinem Inneren dringt ein Wort, kalt und leer wie das Grab: "Lenore."

Silas erstarrt. Lenore, seine geliebte Frau, ihm entrissen durch die kalte Hand des Todes. Ihr Name, ein geflüsterter Fluch, hallt in seinem Gedächtnis wider. Die Raben krächzen eindringlicher, ihr Lied ein Klagegesang für Verlorene und Vergessene.

Silas stößt den Teller zurück, springt auf und stößt einen Schrei der Verzweiflung aus. Die Raben flattern auf, ihre schwarzen Flügel werfen Schatten auf sein Gesicht. Er ist gefangen in diesem Spukhaus der Erinnerungen, ein Gefangener der Trauer und Einsamkeit.

In den kalten Augen der Raben spiegelt sich sein Schicksal wider: ein Leben versunken in den Abgründen der Verzweiflung, ohne Hoffnung auf Erlösung.

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