Waldbaden
Erster echter Wintertag in Hamburg UND . . . trocken ! Ich mich warm angezogen
und ab in den Winterwald. Ich entscheide mich dafür, nur befestigte Wege zu ge-
hen. Wohl wissend, mir den Weg immer mal mit rasenden Radfahrern zu teilen.
Wie ich den Waldweg entlang gehe und an die große Gabelung komme, wo eine
Bank den müden Wanderer zum Verschnaufen einlädt, steht dahinter ein Radfah-
rer wild gestikulierend und fluchend. Seine sportliche Radfahrerbekleidung ist stark
beschmutzt. Ich (wie immer): „Hallo mein Herr, ist alles in Ordnung; brauchen Sie
Hilfe?“ Der Radfahrer: „Nein, soweit ist alles in Ordnung.“ Ich: „Was ist Ihnen den
widerfahren?“ Radfahrer: „Das müssen Sie sich vorstellen. Ich bin gerade dabei
meinen Rekord zu brechen, als mein Rad in voller Fahrt gegen diese Bank fährt
und ich wie eine Rakete hinein in den Wald. Gott sei Dank liegt hier so viel Laub,
das mir nichts ernsthaftes passiert ist. Das Rad ist irgendwie fort und ich habe eine
Stinkwut.“ Ich: „Da haben Sie ja ein intensives Waldbaden genossen. Ich wünsche
Ihnen alles Gute und dass Sie ihr Rad wieder finden.“ Ich wende mich auch schon
ab und gehe meiner Wege. Hinter mir höre ich das Gezetere des Mannes, das mit
jedem Schritt leiser wird. Nach einer Weile komme ich an eine weitere Weggabe-
lung und ich entscheide mich für den schmalen Waldweg, der eher selten begang-
en wird. Wie ich so vor mich hinsinnend den Weg entlang schleiche und mich an
der Natur erfreue, sehe ich plötzlich ein Rad an einen Baum gelehnt. Ich denke, na-
nu, ein Rad beim Waldbaden? Gibt`s das denn wirklich? Ich gehe ein paar Schritte
auf das Rad zu und sage:„Hallo Rad, betreibst Du gerade Waldbaden?“ Keine Ant-
wort. Wie auch, denke ich. Ein Rad kann nur fahren, nicht reden. Wie ich wieder
zurück auf meinen Weg gehen will, höre ich aus der Richtung des Rades ein Stöh-
nen und so etwas wie: „Ich habe es satt. Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr
rasen müssen und die Leute erschrecken. Ich will nicht mehr beschimpft und ge-
hasst werden. Ich will einfach nur gemütlich fahren und geliebt werden.“ Stille. Hm,
denke ich, so ein Rad hat es auch nicht leicht und fühle mit ihm. Ich bitte meinen
Freund den Wald, das Rad zu trösten und ihm zu helfen, seine Würde wieder zu
erlangen. Dann entferne ich mich leise vom Rad, damit es das Waldbaden zu En-
de führen und sich regenerieren kann. Ich genieße meinen Weg und einmal mehr
diese immer wieder wundersamen Begebenheiten auf meinen Waldspaziergängen.
Glückauf !
E. W. R. 21/12/2023 18:19
Der Wald der Grimmschen Märchen gehört wie diese selbst einer romantisierten Vergangenheit an, die als solche alles andere als romantisch war. Wir können uns darüber aufregen, dass uns rasende Radler von den Waldwegen scheuchen,aber wirklich aufregen sollten wir uns darüber, dass wir kollektiv dem Wald das Leben schwer machen und uns damit auf Dauer unserer grünen Lunge berauben.
19king40 08/12/2023 10:40
Tolles Blid.Köstliche Geschichte.
LG Manni
peju 06/12/2023 9:46
Münchhausen hätte es nicht besser erzählen können! :-)))Gruß
Peter
-ansichtssache- 02/12/2023 23:23
Wie schön du dich von der hektischen Großstadt nicht nur wegbewegen, sondern auch wegschreiben kannst. Das Zusammenspiel von Natur und Fantasie beflügelt dich offensichtlich, die wundersamsten Geschichten zu erleben und wiederzugeben.Beeindruckte Grüße, Danny
Margareta St. 02/12/2023 13:38
Ein Fahrrad allein im Wald... Deine Geschichte ist voller Assoziationen, sehr unterhaltsam. ;-)Beste Grüße, Margareta
HJ.B. 02/12/2023 7:34
Die Radfahrer - meine persönlichen Feinde im Alltag.Sympathische Radfahrer in der Natur, Fotografen, kluge Alltagsanalysten wie Du ausgenommen.
Herzliche Grüße
Hans Jürgen.
Clara Hase 29/11/2023 12:15
Neydhart ich sehe Film...lach mich kaputtConny11 28/11/2023 22:09
Eine Geschichte voller Fantasien.... gut gemacht...bestens bebildert und präsentiert.
LG, hab einen schönen Tag, Conny
Maringe 28/11/2023 20:36
Dein Märchenwald hat dir wieder vorgelesen.... ein großers Bilderbuch mit Düften und Klängen. Da lässt es Menschen fliegen und Fahrräder sprechen, weil du es willst.Heute war ein schöner Tag, sei herrlich gegrüßt, Karin