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Weil ich dachte darüber müsse man nicht sprechen

Weil ich dachte darüber müsse man nicht sprechen

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Lampen Schirm


Free Account, FRANKFURT

Weil ich dachte darüber müsse man nicht sprechen

Neun Tage warte ich nun schon auf das aufgeregte Schellen an der Tür. An sechs von neun
Tagen klingelte es, doch jedes Mal war es eine Entäuschung, die spätestens nach dem vierten Mal nicht mehr so wehtat. Im Grunde wusste ist, dass nach dem
neunten Tag auch einer zehnter und dann ein elfter kommen würde. Ich wollte mir noch ein bisschen Zeit lassen das zu akzeptieren. Draußen spielte das Leben
mit den Menschen, die noch nicht begriffen hatten, dass irgendwann ihre Haustüre zubleiben würde. Ich bemitleidete und beneidete sie zugleich für ihr
Unwissen. Sie sahen geradezu niedlich aus, wie sie mit schwerbepackten Taschen und roten Bäckchen über die Straßen glitten. Hier und da ein paar
unauffällige Grimassen schnitten, ganz zufällig alte Bekannte trafen.

Leon war es, der mir immer sagte, dass der Tag kommen wird an dem man sich fragt, ob unser Glück diese Nacht überleben würde. Ich dachte ab und zu an
diese mögliche Nacht, schob sie aber nach ein paar Sekunden jedes Mal ganz weit von mir und schimpfte mich selber, wenn mein Verstand tükisch versuchte
diese Gedanken wieder zurückzuzerren. Ich war diejenige, die zwei drittel ihrer Zeit mit warten verbrachte, doch was viele nicht wussten
umso länger ich wartete umso mehr begriff ich und umso mehr sah ich. Jede einzelne Ecke meiner Wohnung wurde speziell unter die Lupe genommen
und ihre Schätze waren jedes Mal ein aufflammendes Ereignis in meinem Herzen.

Im Grunde wartete ich in dieser Zeit auf etwas ganz bestimmtes. Eigentlich auf Leon. Auf einen großen, gleichgültigen Leon, der morgens den Kaffee viel
zu schwarz trank und anschließend drei Zigaretten rauchte. Ohne das könne er nicht denken, sagte er immer und ich zuckte immer mit den Schultern,
während ich mit zarten Fingern die Erde unserer kakteen befühlte. Meistens musste ich sie nicht gießen. Ich gebe zu es war mir ziemlich egal.
Ich wusste nicht was passiert war, aber eines Tages verloren sich unsere Worte in unendlich taube Blicke, die selbst unsere Wände zum sterben brachten.
Ich wollte dich retten und wahrscheinlich du mich, doch was wir nicht fanden waren unsere Münder. Unsere Körper versteckten sich in denen
mir doch so bekannten Ecken. Meistens schlief ich ohne dich ein, weil du solang im Wohnzimmer oder in der Küche bliebst bis ich schlief. Am Anfang
hoffte ich noch darauf so tun zu können als würde ich schlafen, damit ich wenigstens deine ausbreitende Wärme, die sich auf unser Laken legte, wenn
du ins Bett kamst mit in meine Träume nehmen konnte. Doch irgendwann gab ich es auf und meine Augen waren nicht mehr bereit diesen harten Kampf
auf sich zu nehmen.

Bald darauf zuckte ich morgens auch nicht mehr mit den Schultern, sondern ging stattdessen gleich ins Bad, wo ich mir kaltes Wasser über meine
handgelenke laufen ließ. Das Badezimmer war komplett in weiß. Ein schüchternes weiß, wenn man es lange kennt. Manchmal dachte ich, ich wolle in diesem weiß verschwinden,
einfach verschluckt werden, wenn deine hämmernden Hände die Tür zum nachgeben brachten.
Leon dachte ich dann immer. Leon. Wo bist du?
Wann hast du aufgehört zu wissen, dass ich nachts auf dich warte. Wann hast du aufgehört zu riechen wie sehr ich dich will.

All das war nicht mehr wichtig an dem Tag, als ich aufwachte und es nicht nach viel zu schwarzem Kaffe roch..und nicht mal der beißende Geruch von Zigarettenqualm die Luft bestoch. Mir wurde schlecht und ich fühlte, wie mein Puls in rekordverdächtigem Temp an die Spitze kroch. An diesem tag wollte ich nicht mehr aufstehen. Und an diesem Tag stand ich auch nicht auf.
Ich wollte mich daran festhalten Leon irgendwo in der Wohnung zu finden, aber ich kannte jede Ecke in diesen Räumen und ich wusste keine von ihnen würde Leon festhalten.

Seine Seele war zu lahm geworden. Nicht mal die Musik war noch ein Band zwischen uns.
Früher trug Leon mich die Treppen hoch, wenn der Alkohol meine Beine betäubte..meistens lächelte ich ihn dabei an wie ein kleines Mädchen und vor lauter Entzückung begann er mein Gesicht mit tausens kleinen Küsschen zu befäuchten. So arg, dass er aufpassen musste nicht über seine eigenen Füße zu stolpern. Er trug mich bis aufs Bett und dann zog er mich jedes Mal aus. Dann zog er sich aus und er machte nichts außer meinen Körper fest an seinen zu drücken und nach und nach merkte ich wie mein kühler Schweiß platz nahm in seinen warmen Höhlen. Seine Nase drückte eine kleine Kuhle in meinen Nacken und sein langsamer Atmen nistete sich zwischen hunderte kleine nach Rauch stinkenden Haare. In diesen Momenten liebte ich ihn so sehr, dass ich weinen musste.

Ich wusste ihm ging es genauso, aber darüber gesprochen hatten wir nie.
Heute am neunten Tag denke ich zum neunten Mal, dass wir darüber hätten sprechen müssen, dass wir uns gegenseitig daran hätten erinnern sollen, dass es diese Momente sind, die uns davür bewahren zusammen zu sterben.

Ich weiß auch am zwölften werde ich einen Leon nicht finden.
Und ich weiß, dass ich das nächste man auf den Treppen einschlafen werde.

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